Die Heilkraft der Meditation von Dr. Ji-Oun Byeon

Globalisierung, Digitalisierung, Individualisierung. Mit dem Anstieg unseres materiellen Wohlstandes haben gleichzeitig chronische Erkrankungen, Erschöpfung und psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen stark zugenommen. Die aktuelle Medizin weiß sich hier leider in vielen Fällen nicht zufriedenstellend zu helfen. Wirklich viel versprechende Therapiekonzepte sind rar und so haben in den letzten Jahren viele alternative Heilmethoden Einzug in die konventionelle Medizin gefunden.

So ist auch die Meditation, als frei verfügbare, praktisch nebenwirkungsfreie und vor allem heilende Praxis, in den Fokus der Wissenschaft gerückt.

Was ist Meditation?

Der Ursprung der Meditation wird vor allem im Westen oft mit dem Hinduismus oder dem Buddhismus in Verbindung gebracht. Allerdings finden sich meditative Praktiken in nahezu allen spirituellen oder religiösen Traditionen. So kann beispielsweise das christliche Rosenkranzgebet als eine Art der Meditation betrachtet werden.

Bei den unterschiedlichen Praktiken kommen verschiedene Techniken zum Einsatz, welche sich grob in drei Richtungen einteilen lassen, wobei wichtig ist anzumerken, dass sich keine Methode auf streng einen Mechanismus reduzieren lässt.

Die erste Technik arbeitet hauptsächlich mit dem Aspekt der Konzentration. Während der Meditation wird die Aufmerksamkeit auf möglichst ein Objekt fokussiert. Hierbei kann es sich um ein Mantra oder Gebet, den eigene Atem, ein Bild, aber auch eine praktische Tätigkeit handeln. Dadurch lernen die Meditierenden sich von den üblichen Gedankenprozessen zu entkoppeln.

Die zweite Technik kann als Meditation der Achtsamkeit beschrieben werden. Dabei wird der Schwerpunkt darauf gelegt, präsent und wachsam zu sein, die aufkommenden Gedankenprozesse zu beobachten, jedoch zu versuchen von den üblichen mentalen Reaktionen loszulassen und dadurch eine emotionale Gelassenheit und Akzeptanz zu trainieren.

Die dritte Technik ist die geführte Meditation, bei der eine Anleitung durch Lehrer:Innen oder Therapeut:Innen erfolgt. Hier steht insbesondere der Inhalt der Meditation im Vordergrund, es enthält aber sowohl viele Aspekte der Konzentration als auch der Achtsamkeit.

Allen drei Techniken ist gemein, dass der unkontrollierte „innere Monolog“ reduziert bis eliminiert werden soll, um hierdurch einen mentalen und körperlichen Zustand der Ruhe und Entspannung zu erreichen.

Was bewirkt Meditation?

Durch die jahrhundertealte Tradition der Religionen können wir heutzutage auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen. So beschreiben Personen, welche regelmäßig meditieren eine besserer Verständnis der Lebens, eine Bewusstseinserweiterung, eine höhere Gelassenheit oder sogar das Erlangen von höherem Wissen.

Hinzu kommen nun aber auch die Ergebnisse vieler wissenschaftlicher Studien, die in den letzten Jahrzehnten den Effekt der Meditation auf den menschlichen Körper und Geist untersucht haben. So konnte sowohl bei vielen psychischen Erkrankungen (Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen, Suchterkrankungen, Angststörungen), als auch bei vielen primär körperlichen Erkrankungen (Chronisches Schmerzsyndrome, Bluthochdruck) ein positiver Einfluss der Meditation beobachtet werden

Dabei wirkt die Meditation auf unterschiedlichen Ebenen. Körperlich messbar sind eine Senkung von Blutdruck und Puls, welche bei regelmäßiger Praxis auch anhaltend sind. Zudem kommt es zu einer Senkung des Cortisolgehaltes im Blut, welches zu den wichtigsten Hormonen im menschlichen Körper bei Stressreaktionen darstellt. Ebenfalls im Blut nachweisbar sind erhöhte Spiegel von Melatonin und Serotonin. Beide Neurotransmitter spielen eine wichtige Rolle für eine stabile Stimmungslage, Stressprävention und bei der Alterung.

Auf der Gehirnebene zeigte sich bei Untersuchungen mittels EEG (Elektroenzephalogramm) vor allem eine erhöhte Alpha- und Thetawellenaktivität. Diese langsamen Gehirnwellenmuster (4-13 Hertz) überwiegen beim Menschen in leichten Schlafzuständen, entspannten Wachzustand und Tagträumen und gehen mit Ruhe und Entspannung einher.

Weiterhin wurden mittels fMRT-Untersuchungen (funktionelle Magnetresonanztomographie) die Aktivität unterschiedlicher Gehirnregionen dargestellt. So zeigt sich hier vor allem eine reduzierte Aktivität des sogenannten Default Mode Network. Hierbei handelt es sich um eine Gruppe von Gehirnregionen, welche insbesondere in Ruhephasen aktiv sind und mit Gedankenschweifen, Selbstreflexion, Selbstkritik verbunden ist. Es ist zur Ausbildung eines „Ichs“ notwendig und kann jedoch bei Überaktivität durch Entstehung von Gedankenkreisen, festgefahren Gedankenmustern oder einer krankhaft erhöhten Ich-Bezogenheit zu Erkrankungen wie Depressionen, Angst- oder Zwangsstörungen führen.

Wenn Meditation über einen längeren Zeitraum praktiziert wird, können sich sogar strukturelle Veränderungen im Gehirn zeigen. So konnte eine Zunahme der grauen Substanz, also der Anteil im Gehirn, welcher größtenteils durch die Nervenzellkörper gebildet wird, in bestimmten Bereichen, die besonders für die Aufmerksamkeitsregulation und Emotionskontrolle zuständig sind, gemessen werden.

Alle diese Veränderungen können langfristig dazu führen, dass die Praktizierenden lernen auch außerhalb der Meditationpraxis ihre Aufmerksamkeit besser zu halten, eigene Gedanken und Emotionen distanziert und nicht urteilend zu betrachten und sich von automatischen Verhaltensmustern zu lösen.

Wie kann ich Meditation praktizieren?

Welche Art der Meditation zu jemandem passt ist höchst individuell und hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Im therapeutischem Umfeld lässt sich sagen, dass hier der Anteil der geführten Meditation höher ist, da hier der Zugang und Aufrechterhaltung der Praxis durch die Patient:Innen durch die Therapierenden ermöglicht und erleichtert werden kann.

Die geführte Meditation kann dann im Verlauf in eine Praxis übergeführt werden, welche Praktizierende unabhängig durchführen können. Hierfür ist in den letzten Jahren das Angebot und die Möglichkeiten rasant gewachsen.

So gibt es eine große Anzahl an Kursen, Apps und Onlinevideos, durch die man die verschiedenen Formen der Meditationen kennen lernen kann, um so entscheiden zu können, welche Meditation am besten zu einem passt. Hierbei ist es wichtig, nicht in eine Erwartungshaltung zu fallen und darauf zu achten, die Methode zu wählen, welche individuell am besten umsetzbar ist.

Es muss nicht der mehrstündige Lotussitz vor dem Räucherstäbchen und der Klangschale sein. Zehn Minuten während des Pendelns im Zug können mitunter sogar heilsamer sein, wenn es sich so leichter in den Alltag integrieren und dadurch regelmäßiger praktizieren lässt.

Glücklicherweise ist die Meditation in den letzten Jahren auch gesellschaftlich immer akzeptierter geworden. Das geschah insbesondere dadurch, dass diese Praxis ähnlich wie beim Yoga teilweise aus ihrem spirituellen und religiösem Hintergrund gelöst wurde und es vielen Menschen dadurch leichter fällt sich darauf einzulassen.

Mittlerweile bieten sogar große Firmen Meditationskurse an und einige Krankenkassen übernehmen teilweise Kosten für die oben erwähnten Meditations Apps. So sehr diese Entwicklungen zu begrüßen sind, kann sich hier auch die Gefahr verstecken, dass diese uralte Praxis zu einer weiteren Möglichkeit der Selbstoptimierung wird. Es ist also ratsam achtsam zu bleiben, sich die richtigen Intentionen zu setzen und die Meditation nicht als Lifestyle-Produkt, sondern eher als eine generelle Lebenshaltung, ohne dass hierbei ein spirituelles oder gar religiöses Bekenntnis nötig ist, zu verstehen. Dann kann es helfen die körperliche und geistige Resilienz zu stärken und dem Leben mit Gelassenheit, Neugier und Freude entgegenblicken zu können.

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